Rede Dr. Maike Bruhns

Rede für Ursula Schultz-Spenner am 27. Mai 2016 im Malteser Hospiz-Zentrum Volksdorf

M.s.g.D.u.H., liebe Kunstfreunde:

Mit Freude stelle ich Ihnen heute Bilder von USS vor. Sie nehmen schon auf den ersten Blick für sich ein, sind überwiegend farbstark, wirken lebendig, üben Anziehung, fordern geradezu auf, näher heranzutreten, sie zu betrachten und über sie zu nachzusinnen. Dabei erfährt man einiges über die Künstlerin und macht sich Gedanken über ihre Vorgehensweise, was auch der von mir bevorzugten Art der Kunstinterpretation entspricht.

USS kam auf einem Weg zur Kunst, den junge Künstlerinnen vor ihr, z.B. die 1880-1900 Geborenen freikämpfen mussten. Ich habe gerade einen Aufsatz über die Biographien von Anita Rée, Dorothea Maetzel-Johannsen und Elfriede Lohse-Wächtler geschrieben, die, ihrer Berufung zur Kunst sicher, die Ausbildung, Laufbahn einer freien Künstlerin und Karriere in einer Männer- dominierten Kunstszene durchsetzen mussten. USSs hatte es da schon leichter. Doch ihr traditionell gesinnter Vater meinte, sie heirate ja doch, eine freikünstlerische Ausbildung sei darum überflüssig. So setzte sie durch, „angewandte Kunst“ lernen zu dürfen. D.h. ab 1962 studierte sie an der Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg zunächst bei Wilhelm M. Busch, Siegfried Oelke und Gero Flurschütz Illustration und Werbegrafik. Bis 1992 war sie als freiberufliche Grafikdesignerin tätig. Dann wagte sie den Übergang zur freien Kunst und begann ein Studium im Atelier der Akademie Leonardo bei Gerd Krenckel. Gemeinsame Malreisen in die Toskana, nach Sizilien, Andalusien, Griechenland, Potsdam, nach Indien, SW Afrika und den Scilly Islands boten künstlerisch Anregungen, weiteten den Horizont auf Unbekanntes. 2007 wurde sie Mitglied der Künstlergruppe „Kunstklima“ auf Eiderstedt.

Nun einige Angaben über das, was den Besucher einer Kunstausstellung neben dem Weg zur Kunst interessiert: Ihr Arbeitsfeld wurde – neben wenigen Porträts (dabei qualitätvolle Selbstbildnisse) – der Raum unserer Lebenswelt: in Hamburg der Jenischpark, Parkbilder und Bilder von der Elbe. Seit den achtziger Jahren arbeitet sie in Nordfriesland: Land und Wasser, Meer, Watt, Priele, Deiche, die alten Bräuche wie Biikebrennen, Drachenfeste am Strand, Objekte, die das Meer hinterlässt (Strandfund). In jüngster Zeit Themen vom Hamburger Dom, Hafencity und Speicherstadt.

Was die Arbeitsmaterialien angeht, verläuft ihr Weg von Aquarell und Gouache, über Kaseintempera, Acryl, gelegentlich Öl oder kombiniert mit anderen Techniken, „mixed media“, bis hin zur hart erkämpften Ölmonotypie. Ausstellungen hatte sie in Hamburg, z.B. im Hotel Elysee, in Kiel, Husum, Eiderstedt, im Alten Rathaus Garding, in der Strandkorbhalle St. Peter. Kürzlich wieder in der Hamburger Hafencity.

Zunächst begann USS mit konventioneller Malerei und üblichen Themen. Aber ihre Hamburg-Bilder zeigen keine Dampfer, keine Stadtansichten, sondern Wasser und Licht. So liegen z.B. die Arbeitsschiffe im Traditionsschiffhafen (Övelgönne, 2004, Neumühlen), still hinter Duckdalben, ihre Rümpfe spiegeln sich im leicht bewegten Elbwasser. Schnell versteht der Betrachter, dass es nicht das Postkartenmotiv der malerischen Schiffe ist, das die Malerin interessiert, sondern die Spiegelung ihrer Bootskörper im Wasser. Bewegtes Wasser, Lichtreflexe auf ihm, bilden gegen die statisch aufragenden Duckdalben einen spannenden Kontrast. Man versteht ihre Intention besser bei der Betrachtung der Gouache Elbwasser, 2005: hier befindet sich links unten ein Stück dunkler Strand, darüber wellig bewegtes Elbwasser und ein unsichtbares Objekt, vermutlich ein Duckdalben, der eine dunkle Spiegelung von der Mitte oben herunterschickt – wieder ein bewusst gewählter Ausschnitt eines hier nicht erkennbaren Orts, bei dem der Schwerpunkt auf dem leicht welligen Wasser liebt. Wunderbare Farbpartien in Blau, Braun wechseln mit hellen Glanzlichtern und einem dunkelblaubraunem Strand.

Anfangs übte sich USS in Aquarelltechnik und Gouache, bald in Temperamalerei, in der schwierigen Kaseintempera, später auch in der Malerei mit schnell trocknenden Acrylfarben. Beeindruckend in dieser Serie das Bild Neumühlen III von 2006, in das der untere Teil eines Duckdalbens von oben hereinragt, leicht aus der Mitte versetzt. Um ihn kreiselt das Tidewasser. Der Dalben spiegelt sich in einer ausufernden dunklen Form im unteren Teil des Bildes. Abendlicht fällt auf die Wasserfläche in hellen Gelbtönen, lässt den Pfahl im Gegenlicht in blauvioletten Tönen kontrastieren, hellt das gluckernde Wasser in vielen ovalen, weichen Formen auf. Farblich wie formal liegt hier ein radikales, gelungenes Bild in Acryl und Öl auf Holz vor.

(Das Motiv, Duckdalben und Wasser, nimmt sie 8 Jahre später noch einmal auf, in zwei Öl-Monotypien, Sommer oder summertime, 2014. Jetzt ist die Wirkung ganz anders, das Motiv ganz in flirrend aufgelöste Licht- und Schattenzonen und Übergange getaucht, herausgearbeitet in tausenden kleinteiligen Partien mit vielfarbigen Blitzlichtpunkten und violetten Schattenzonen. Denkt man an die Pointillisten und ihre mühevolle, langwierige Tüpfelei, Seurat und Signac in Südfrankreich, Ivo Hauptmann in Hamburg, erkennt man die Modernität der Monotypie und ihrer Möglichkeiten, – obgleich auch die Monotypie ein zeitaufwendiges Verfahren ist. Darüber später noch mehr.

USS kombiniert gern mit zeichnerisch differenzierten Gründen, Mischtechnik oder mixed media, wie es heute genannt wird. Das schöne große Bild Bougainville, entstand 2006 nach einem Arbeitsaufenthalt auf Sizilien. Es zeigt einen Mauerteil, der von der dornig rankenden Pflanze bewachsen ist. Sie breitet sich aus, wie die angeknoteten Schnüre erkennen lassen. Die Verästelungen, Vernetzungen und Verflechtungen sind an dem Schnur-Spalier zu verfolgen. Bewundernswert ist die Akkuratesse der Erfassung. Die Stofflichkeit der gespannten Schnüre ist zu erkennen, Räumlichkeit im Schattenriss durch Lichteinfall auf den stärkeren Äste gegeben, auf grün aufscheinenden Blättern im Licht und dunklen im Schatten.

Von der Malerei in den klassischen Techniken Aquarell, Gouache, Tempera, Öl, bewegt sich die Künstlerin ganz bewusst zu komplizierterem Vorgehen, denn sie sucht, wie sie selbst sagt, Weiterentwicklung, andere Technik, Fortschritt und „Moderne“ – die alten Techniken bedeuten für sie Stagnation, trotz der überraschenden Ergebnisse, die sie damit erzielte. Die Entwicklung führt zur Monotypie, dem manuellen Farbdruck, der immer weiterbearbeitet wird durch Auswischen, Überdrucken, Verdünnen. Obwohl in Zeichnung angelegt, entwickelt sich während der Erarbeitung Ungeplantes, Überraschendes; jedes Blatt stellt zuletzt ein Unikat dar, das nicht mit Pinsel oder Stift gestaltet ist, sondern in langwierigen Druck- und Überarbeitungsprozessen, mühevoll in des Wortes Sinn „erarbeitet“. Dafür braucht USS oft mehrere Stunden am Stück. Was entsteht, ist eine stark abstrahierende Gestaltung, die ihrem spezifischen Blick auf die Strukturen der Natur, die Auswirkungen der Elemente in unzähligen feinen Details nahkommt. Mit beglückter Skepsis erlebt sie diese Tendenz zur Abstraktion. Die Inhalte übermitteln sich auf diese Weise in eher assoziierender Form.

USS malt das, was andere vielleicht aufmerksam registrieren, bewundernd fotografieren, weil es in feinster Weise strukturiert oder vielfältig bewegt ist und was für Maler seit jeher eine hohe Herausforderung darstellt, die unzählige Vorarbeiten und allen Einsatz erfordert und selten zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führt. Ich meine das Malen der Elemente: Wasser in seiner vielfältigen Form, leicht bewegt, ölig gluckernd, in leichten Wellen, in Seegang aller Art, selbst Brecher, die schwer auf den Strand schlagen oder an Felsen aufschäumen (zu nennen ist z.B. das schöne Scilly-Bild der Einladung). Auch Himmel, (nicht mehr Wolkenstudien in der traditionellen Art, von denen wir aus der Zeit der Romantik so viele in der Kunsthalle haben), sondern Strukturen, Leichtigkeit und Luftigkeit von Luft, in der sich die Drachen kapriziös und schwerelos bewegen. Licht in seinen vielfältigen Brechungen, in Verbindung mit Wasser als Spiegelung, womit sich zugleich eine implizite Symbolik anbietet, die aber das Geheimnis der Künstlerin bleibt. Charakteristik und Bewegung der Elemente Wasser, Luft, aber auch von Feuer und Erde (Deich- und Sand-Bilder) in den Erscheinungen der Natur. Reaktionen mit Licht. Mehrfach spiegeln sich die Gerüste der Stelzenhäuser in St. Peter bei Flut im Wasser (Sommerabend) oder sie tauchen auf Ebbebildern am oberen Rand auf, während die gestrandete Tonne an der Kette die Badelinie auf dem abgelaufenen Strand markiert, ein merkwürdig surreales Objekt im variablen Farbspiel des nassen Sandes (Badegrenze). USS macht es sich nicht leicht, sondern in einer anrührenden Art eher schwer, was ihrem genauen Beobachten und detaillierten Hinsehen geschuldet ist.

In den Parkbildern findet das entsprechende Auswahlverfahren statt: Die Malerin reflektiert das organische Wachstum, z.B. der Rinde eines Mandelbaumstamms oder die Strukturen der Schilfgürtel, z.B. in den Acrylbildern Sommerschilf und Winterschilf von 2007 und den nachfolgenden Monotypien Sommer- und Winterreet, von 2013, in der bereits erwähnten neuen Technik. Hier bilden tausend feine Halme ein dichtes abstraktes Netz im Schnee oder im Sommergrün. Natürlich wieder im Ausschnitt – der kleine Teil steht für das Ganze der Schöpfung, pars pro toto.

Unter „Hamburg“ firmiert die jüngste Gruppe Monotypien vom Vergnügungsressort Dom und von der Hafencity. Hier ist USS in einem neuen Themenkreis angekommen: nächtliche Szenen mit drehenden bunten Karussells, natürlich im Ausschnitt, Blaue Stunde im U-Bahn-Tunnel, Rotlicht über der S-Bahnstation. Urbanes, nächtliches Leben, fast ohne Menschenfiguren. Hafencity-Häuser in Rotbacksteinton mit komplementären Schattenfarben.

Wir können gespannt sein, wohin die künstlerische Reise die Malerin führt. Sicher wird sie noch viel schaffen, es wird mit Bewegung, Farbe, Licht, Formauflösung und Teilansicht zu tun haben, auf jeden Fall wird es neu und überraschend ausfallen.

Vielen Dank für das Zuhören.

Dr. Maike Bruhns